Wirtschaftsministerium setzt Genehmigungsbehörden erneut unter Druck

Offensichtlich schädigt auch das schöngeredete Wunderwerk von DONG Mensch und Natur mehr als erlaubt ist. Unsere Naturschutzgesetze lassen dazu eine Hintertür offen:

Wenn zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses bestehen, gelten für die Verschmutzung von Luft und Wasser keine Grenzwerte mehr. Deshalb behauptet das Wirtschaftsministerium, derartige Gründe würden vorliegen nd in einem so genannten Ausnahmeverfahren müsste dann das Vorhaben genehmigt werden. (siehe untenstehenden Kommentar)

9000 Einwendungen, mehr als 60.000 Unterschriften, eine Volksinitiative und diverse Umfragen beweisen das Gegenteil. Das wurde auch im Erörterungsverfahren deutlich.

Das Wirtschaftsministerium missachtet vorsätzlich die Interessen der Bürger. Wir verstehen dieses Schreiben als indirekte Anweisung an die ihm unterstellten Mitarbeiter der
Staatlichen Ämter,
das Vorhaben dennoch zu genehmigen.
(siehe untenstehenden Kommentar)Das ist ein unglaublicher Vorgang, den es bisher in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben hat. Deshalb wiederholen wir unsere Forderung:

Seidel muss zurücktreten oder entlassen werden.

Hintergrundinformationen dazu:
Bild Fuchs
In einem neuen Schreiben an die Genehmigungsbehörden
wird nochmals durch Dr. Fuchs auf nunmehr 29 Seiten die dringende Notwendigkeit des Projektes klargemacht. Er schreibt u.a.:  "Die Prüfung auch im Hinblick auf die in den Zulassungsverfahren geltend gemachten Bedenken einschließlich derer, die im Erörterungstermin vorgebracht worden sind, führt allerdings nach wie vor zu dem Ergebnis, dass auch in Abwägung aller gegenläufigen Interessen die zwingenden Gründe für das überwiegende Interesse, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, für das vorliegende Vorhaben gegeben sind.“ Dabei war der Mann ständig bei den Anhörungen Ende 2008 in Greifswald dabei und hat die Argumente, die gegen das Projekt sprechen, gehört. Ein Skandal!

In einer Prüfliste werden die Argumente, die die zwingenden Gründe des öffentlichen Interesses belegen sollen, kritisch bewertet.

Weitergehende Informationen in kompakter Form finden Sie in einer Präsentation zum alternativen Energiekonzept KREDO (Achtung: Dateigröße 2,7 MB).

Zu obigem Beitrag erreichte uns ein Kommentar von einem aufmerksamen und sachkundigen Leser unserer BI-Seiten:

Die "zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses" haben keinerlei Einfluss auf die gesetzlichen Grenzwerte für die Verschmutzung von Luft und Wasser. Nur sind diese gesetzlichen Grenzwerte (nach BImschG und Wassergesetz) auch gar nicht das Problem des Vorhabens - wenn es nur um diese ginge, hätte DONG gute Aussichten auf Genehmigung. Die kritischen Fragen entstehen vielmehr im Hinblick auf Veränderungen im Ökosystem, die insbesondere durch die Warmwassereinleitung und andere Prozesse entstehen, die nicht im Zusammenhang mit messbaren (Verschmutzungs)Grenzwerten zu beurteilen sind. Die Frage, ob denn nun alle gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden oder nicht, ist für die Frage der Genehmigungsfähigkeit zweitrangig - hier zählt, ob durch die Gesamtheit aller Auswirkungen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das Ökosystem zu erwarten sind. Da es sich beim Greifswalder Bodden um ein Natura 2000-Gebiet (sowohl FFH- und Vogelschutzgebiet) handelt, ist es verboten, durch ein Vorhaben die Erhaltungsziele für das Gebiet zu beeinträchtigen. Und dies geschieht natürlich ganz zwangsläufig allein schon durch die Warmwassereinleitung. Auch wenn die konkreten Auswirkungen keineswegs klar vorhersagbar sind - dass sich ein Ökosystem verändert, wenn sich die Temperatur ändert, ist nun mal eine Grundregel der Biologie. Und die Veränderungen müssen auch nicht sofort sichtbar werden, sie kommen mit größerer Wahrscheinlichkeit schleichend im Laufe der Zeit. Um nun ein Vorhaben dennoch zulassen zu können, trotz zu erwartender Beeinträchtigungen eines Natura 2000-Gebietes, bedarf es der "zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses". Nur reichen diese alleine auch nicht aus - es dürfen auch keine Alternativen zur Verfügung stehen.
Die Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums ist keineswegs eine "Anweisung für die Staatlichen Ämter zur Genehmigung", wie es in dem o.z. Text gesehen wird. Es ist lediglich die Darlegung der Auffassung des WM zu dieser Frage. Ob es nun Aufgabe des WM ist, das "überwiegende öffentliche Interesse" nachzuweisen, sei dahingestellt, ebenso, ob die dargelegten Argumente plausibel sind. (Natürlich ist auch Klimaschutz ein überwiegendes öffentliches Interesse - und ein Kohlekraftwerk ohne Abwärmenutzung ist nun mal so ziemlich die klimaschädlichste Methode zur Elektroenergieerzeugung). Nur ist dieses Papier des WM eben auch nicht mehr als "noch eine Stellungnahme unter xxx anderen", keine ministerielle Anweisung! Selbst wenn das StAUN die Argumentation übernehmen sollte - dann wäre als nächstes der Nachweis, dass keine Alternativen vorhanden sind, zu erbringen. Natürlich gäbe es (sehr wahrscheinlich mögliche) Standortalternativen (Rostock) und, als technische Alternative, den Kühlturm. Zweifelsohne ist es ein Horror, in eine Erholungs-Küstenlandschaft einen Kraftwerkskühlturm zu stellen - allein aus rechtlichen Gründen wäre dieser bei einem Festhalten an dem Projekt an dem Standort Lubmin wohl zwingend. Mit dem Kühlturm ließen sich die Hürden "Verbot der Beeinträchtigung des FFH-Gebietes" vermutlich umgehen und in diesem Punkt eine Genehmigungsfähigkeit herstellen. Die Diskussion käme dann ganz schnell wieder auf eine politische Ebene - denn für die Zerstörung von Landschaft (hier vor allem die optische Zerstörung) gibt es keine messbaren Grenzwerte, die einzuhalten sind, hier geht es wieder um Abwägung, was uns wichtiger ist - eine lebenswerte Landschaft oder ein paar Industriearbeitsplätze. Und da gehen die Auffassungen von Herrn Seidel und der Mehrheit der Bevölkerung wohl weit auseinander.
Bitte ändern Sie die entsprechenden Formulierungen in dem Text - sie sind falsch! Sichern Sie auch weiterhin die Qualität Ihrer Argumentation!
Mit freundlichen Grüßen,
C. Herrmann
Stellungnahme der BI: Wir danken sehr herzlich Herrn Herrmann für seinen ausführlichen und fundierten Beitrag. Wir haben die entsprechenden Passagen in unserm Text jetzt kursiv markiert und schließen uns diesbezüglich der Meinung von Herrn Herrmann an.