OZ l Dienstag, 2. Juni 2009
Kohlekraftwerk Lubmin: Langjähriger Bodden-Taucher befürchtet negative Folgen
Bodden-Taucher Karl-Heinz Krüger stellte schon zu Zeiten des Atomkraftwerkes in Lubmin schwerwiegende Veränderungen im Wasser fest. Er warnt deshalb vor dem geplanten Kohlekraftwerk.
Lubmin. Seit 1968 sieht Karl-Heinz Krüger den Greifswalder Bodden von unten. Immer wieder kehrt er zurück zu dem schlammigen Boden, den seichten Untiefen und den Fahrrinnen, die die Bagger in den Grund gegraben haben. Karl-Heinz Krüger, heute 65 Jahre alt, arbeitete ab 1968 für die VEB Bagger-, Bugsier- und Bergungsreederei in Rostock. Der Diplomingenieur koordinierte als Bauleiter die Baggerarbeiten zum Greifswalder und Vierower Hafen, die Einspülungen beim Einsetzen der Ölbohrplattformen vor der Dänischen Wiek und schließlich die Ausbaggerung des Lubminer Auslaufkanals. Anfangs tauchte er beruflich,mittlerweile ist das Tauchen zu seinem Hobby geworden. Noch immer steigt er vier- bis fünfmal im Jahr in seinen Neoprenanzug und macht sich auf den Weg in die Tiefe. Was er in den Jahren nach der Inbetriebnahme des früheren Kernkraftwerkes unter Wasser beobachtete, macht ihn zu einem Kritiker des geplanten Kohlekraftwerks, das der dänische Energiekonzern Dong Energy dort errichten will. „Am Anfang dachte ich noch, wir tun dort etwas Gutes“, sagt er. „Wir haben uns erstmal auf die Schultern geklopft.“ Schon bei den Einspülungen der Ölbohrplattformen fiel ihm jedoch auf, dass die Fahrrinne zum Greifswalder Hafen den natürlichen
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Sedimenttransport in der Dänischen Wiek unterbricht. „Die Dänische Wiek war so stark verschlammt, dass in der VEB kurzzeitig darüber nachgedacht wurde, die Wiek zur Landgewinnung zu verwenden.“ Bei jeder Durchfahrt eines tiefgehenden Fahrzeugs werde Bodenmasse aufgewirbelt, die sich durch die Bewegung an Orten absetze, wo die Sedimente natürlicherweise nicht hingehören und zum Beispiel Futterpflanzen der Fische zudeckten. Nach der Inbetriebnahme des KKW beobachtete er weitere Veränderungen unter Wasser. Trotz der Versicherungen der Bauplaner, dass die so genannte „Warmwasserfahne“, das erhitzte Kühlwasser aus dem Kraftwerk, nur 300 bis 400 Meter wahrnehmbar sei, meint Karl-Heinz Krüger, die Auswirkungen des Kühlwassers noch 13 Kilometer weiter an der Küste Südost-Rügens zu bemerkt zu haben. Kurz vor Thiessow habe er massive Verkrautungen gesehen, die es vorher dort nicht gegeben habe, und die durch das erwärmte Wasser entstanden seien. Auch die Vermehrung einer bestimmten Grünalgensorte sei in jenen Jahren sichtbar geworden. „Zu den Hochzeiten des Kernkraftwerks hat man deutlich wahrnehmen können, dass das Boddenwasser eine grünliche Färbung angenommen hat“, sagt Krüger. Seit der Schließung des Atomkraftwerks habe er mit Freude wahrgenommen, wie sich der Bodden wieder erholt habe, erklärt Krüger. „Aber so ganz wiederhergestellt ist er immer noch nicht.“ Der Rentner, der viel Zeit auf seinem Loissiner Campingplatz verbringt, wo er einen Dauerstellplatz hat, begleitete er im Dezember persönlich die Anhörungen zum Genehmigungsverfahren. Die Beobachtungen von Karl-Heinz Krüger müssen nicht einzig und allein mit den Kühlwassereinleitungen zusammenhängen.
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uch der Nährstoffeintrag durch die Landwirtschaft ist seit Beginn der Neunziger Jahre stark zurückgegangen und hat entscheidend zur Verbesserung der Wasserqualität beigetragen. Selbst wenn man die Beobachtungen von Karl-Heinz Krüger nicht zweifelsfrei auf das eingeleitete Kühlwasser zurückführen könne, bestätigt Dr. Irmgard Blindow, Ökologin an der Universität Greifswald, dass eine Temperaturerhöhung des Boddens zu einer Vermehrung von Cyanobakterienblüten führe. Cyanobakterienblüten benachteiligten Unterwasserpflanzen. Abgesehen davon könne man aber andere Effekte quantitativ mit der heutigen Kenntnis schlecht voraussagen: Eine Temperaturerhöhung wirke sich erst ab einer „kritischen Grenze" auf den Bodden aus. Vermutlich werde es zu einem erhöhten Vorkommen von Phytoplankten kommen, „die Sichttiefe wird schlechter und Wasserpflanzen gefährdet. Ein künstlicher Temperaturanstieg setzt den Effekten, die der Klimawandel mit sich bringt noch einen drauf“, so Irmgard Blindow. Es sei zu erwarten, dass vor allem solche seltenen Wasserpflanzen, die sich aufgrund der verbesserten Wasserqualität seit einigen Jahren wieder im Bodden ausbreiten durch den Kraftwerksbau gefährdet werden. VomVerschwinden dieser Arten wären streng geschützte Wasservögel wie Brand- und Flussseeschwalben, Ohrentaucher und Singschwäne beeinträchtigt. |