Brief von Dr. med. Theo Kaufmann an den Präsidenten der IHK Rostock

Sehr geehrter Herr Hering,
als in Koserow auf Usedom ansässiger Lungenfacharzt möchte ich mich zu Ihrer am
11. Juni 2008 zum IHK-Jahresempfang in Stralsund gehaltenen Rede äußern.
Sie sagten: "Mecklenburg-Vorpommern ist und bleibt ein Bundesland, welches größtenteils
vom Tourismus lebt."
Das ist absolut richtig!
Und daher ist es nicht verwunderlich, sondern völlig logisch, daß nicht nur die Hotellerie,
sondern die gesamte Tourismusbranche den Bau eines Steinkohlekraftwerkes inmitten
des Tourismusgebietes ablehnen.
Es ist doch völlig unsinnig zu glauben, daß man mit einem solchen Kohlekraftwerk Werbung
für den Tourismus betreiben könnte.
Die von Ihnen zu zitierende Aussage:
"Wind und Wasser alleine reichen nicht aus um die verwöhnten Gäste zufrieden zu
stellen. Diese wollen sich auch im Urlaub die Fönfrisur zurechtlegen, den Bart
stutzen und ihren frisch gebrühten Kaffee trinken."
Diese Aussage ist an Zynismus kaum noch zu übertreffen und eine beleidigende Aussage
für jeden mündigen Menschen, der als Tourist zu uns kommt und natürlich auch für die
Menschen, die hier in diesem Lande leben.
Inzwischen weiß doch jeder, daß wir sogar einen Überschuß an Strom haben und die
Planung des Steinkohlekraftwerks nicht der Fürsorge von Touristen gilt, sondern einen
massiven kommerziellen Hintergrund hat, der keinerlei Rücksicht auf die Erhaltung unseres
Heilklimas nimmt, der "Ware", die der Tourismusverband anbietet und von der auch
die Politiker in ihrer Werbung für Mecklenburg-Vorpommern gern Gebrauch machen.
Das wäre doch so, als käme ein Verantwortungsträger auf die Idee, günstig erworbene
Kohleöfen aus Omas Zeit in einen wohltemperierten und sauberen Operationssaal aufzustellen
und diese Handlung mit den Worten zu argumentieren: Ihr braucht hier mehr
Wärme, damit die Patienten nicht frieren; denn wir müssen für die Zukunft planen, falls die
Heizung ausfällt. Der entstehende Rauch ist völlig harmlos für Patient und Arzt und fördert
zusätzlich noch das Abhusten.
Ich gebe zu, das ist ein ebenso zynisches Spiegelbild, wie Ihre oben angeführte Aussage
in Ihrer Rede.

Aber es ist wohl auf diese Weise notwendig, die unsinnigen Fakten und unlogischen
Gedankengänge der Kraftwerksbefürworter, zu denen Sie, aus welchem Grund auch
immer, zählen, mit Nachdruck zu unterstreichen.
Denn es geht hier nicht nur um die Tourismusbranche und um die Umweltschützer, wie
Sie meinen, sondern in erster Linie um die Erhaltung der Gesundheit aller hier lebenden
Menschen und die Erhaltung einer reinen Atmosphäre, damit hilfesuchenden Lungenkranken
weiterhin hier geholfen werden kann.
Um es nochmals klar auszudrücken. Das SKW ist als Stromlieferant für MV nicht erforderlich.
Es würde mit seinen Schadstoffen die Atmosphäre im großen Umkreis vom Standort
so weit verschlechtern, daß die Erkrankungen im Lungen- und Bronchialsystem signifikant
zunehmen würden und die "Ware" Luft zu Heilzwecken unbrauchbar werden würde.
Jegliche Aussage für den Bau des Kraftwerkes stellt einen Angriff auf die Unversehrtheit
von Mensch und Natur dar und deutet damit auf fehlendes Verantwortungsbewußtsein hin.
Es scheint mir notwendig, daß an letzteres bei Ihnen gerüttelt werden muß.
Mit freundlichen Grüßen