Ostsee-Zeitung l Dienstag, 06. Mai 2008 | Insel Usedom links l 538 Wörter
Der größte Gipfel wartet noch

Lubmins Bürgermeister Klaus Kühnemann hat schon drei Fünftausender bezwungen. Doch seinen wichtigsten Kampf muss der Bergbesteiger noch ausfechten: Er will das Kohlekraftwerk in seinem Ort verhindern.

Lubmin Klaus Kühnemann ist eigentlich Genießer, jemand der die sonnigen Seiten des Lebens schätzt. Er habe aber auch kein Problem damit, unbequem zu sein, sich einzumischen und hart zu arbeiten, wenn es die Sache erfordert, betont der Lubminer Bürgermeister. Auf diese Stärken setzen seine Anhänger jetzt, im politisch aufregendsten Prozess, den Vorpommern seit der Wende erlebt: der Debatte um den Bau eines Steinkohlekraftwerkes in Lubmin.

Kühnemann ist einer der Anführer in der Volksinitiative, die sich gegen das Projekt gegründet hat und er will den Kampf gewinnen: „Ich habe schon einige Gipfel erklommen. Diese Herausforderung meistern wir auch“, sagt der 66-Jährige und spielt auf eine große private Leidenschaft an: das Bergsteigen. Drei Fünftausender bezwang der gebürtige Weißenfelser in den vergangenen Jahren. Mit Ehefrau Ursula kraxelte er den Kilimandscharo (5968 Meter) hinauf, gelangte auf den Cotopaxi (5897 m) und den bestieg den Kala Patar (5700 m), der einen atemberaubenden Blick auf den höchsten Berg, der Welt, den Mount Everest (8848 m), bietet.

Das verlangte genauso Durchhaltevermögen wie die jetzigen Aktivitäten gegen das Kraftwerk. „Denn um da Paroli bieten zu können, muss man die Fakten sehr gut kennen“, betont Kühnemann. Die 17 Ordner, die der Energiekonzern Dong als potenzieller Investor für das Genehmigungsverfahren einreichte, hat Kühnemann alle gelesen. Als promovierter Wissenschaftler und Bauinginieur für Wasserwesen ist er sich nun sicher: „Die Gutachten, die das Unternehmen eingebracht hat, sind alle so ausgestellt, dass sie auf eine Baugenehmigung zielen. Es ist kein Zufall, dass die Versprechen von Dong nach und nach bröckeln“, meint der Bürgermeister.

Der Vater dreier Kinder und Opa von fünf Enkeln bezieht sich dabei vor allem auf Aussagen zum CO2-Ausstoß: „Die Dänen mussten die Werte nach unseren Interventionen immer weiter nach oben korrigieren“, sagt Kühnemann. Auch das jüngste Gutachten des Ostseeinstitutes Warnemünde, wonach die Erwärmung des Boddenwassers deutlich höher ausfallen wird als von Dong berechnet, hat den Kraftwerksgegnern Mut gemacht. „Das war so etwas wie eine Trendwende“, meint Kühnemann. „Zeitweise hieß es von vielen Seiten, wir hätten keine Chance, weil der Investor ja alle gesetzlichen Vorschriften einhalte. Doch langsam bröckelt diese Ansicht auch bei den Entscheidungsträgern in den Behörden“, schätzt das Lubminer Gemeindeoberhaupt ein.

Das Spiel sei ohnehin erst entschieden, wenn die letzte Sekunde gespielt ist. Diese Maxime hat der rüstige Rentner in seinem Sportlerleben gelernt. Nach wie vor spielt er aktiv Basketball, nahm kürzlich mit der SG Bernau an den Deutschen Seniorenmeisterschaften teil. Er joggt regelmäßig, hält sich mit Kräftigungsübungen fit. Die große Leidenschaft des Ehepaars Kühnemann heißt aber Reisen: „Wir waren schon in 75 Staaten. Acht bis zehn Wochen im Jahr sind wir unterwegs, nur mit Flugticket, Rucksack, Pass und Geld“, beschreibt der Bürgermeister. Mit seiner Frau übernachtet er dabei oft bei Einheimischen: „So lernt man die Sitten und Bräuche der Länder am besten kennen. Und oft wirken die Probleme, die einen zu Hause bewegen sehr, sehr klein“, hat Kühnemann festgestellt. Für das Kohlekraftwerk gilt das nicht: Dieses Projekt zu verhindern, sei das wichtigste Ziel seiner Amtszeit, betont Kühnemann. Schließlich dürfe der Meiler nicht das kaputt machen, was die Menschen im Tourismus aufgebaut haben. „Die Mehrheit der Bevölkerung hier will das Kraftwerk nicht. Das haben die 32 000 Unterschriften der Volksintitiative gezeigt. Die Politik sollte das endlich akzeptieren“, fordert der Bürgermeister.

ALEXANDER LOEW