Ostsee-Zeitung l Wochenendausgabe, 09. August 2008 | Mecklenburg-Vorpommern Ostsee-Zeitung l 459 Wörter
Bereitschaft zu Kompromissen statt Betonköpfigkeit – das erwarten die Gegner des Meilers Lubmin vom künftigen Ministerpräsidenten Erwin Sellering.
Rostock/Lubmin (OZ) Neue Hoffnung für die Gegner des geplanten Kohlekraftwerks in Lubmin. Nach dem angekündigten Rücktritt von Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) baut die Kraftwerks-Opposition jetzt auf dessen Nachfolger Erwin Sellering (SPD). „Der Führungswechsel stimmt uns optimistischer, dass sich nun etwas bewegt“, sagt Torsten Jelinski, Sprecher der Rügener Bürgerinitiative „Kein Steinkohlekraftwerk Lubmin“.
Grund für Jelinskis Zuversicht: Sellering gilt im Gegensatz zu Ringstorff nicht als glühender Verfechter des vom dänischen Unternehmen Dong Energy geplanten Mammutbauwerks. Dong will am Greifswalder Bodden zwei Steinkohlekraftwerks-Blöcke mit einer Gesamtleistung von 1600 Megawatt errichten. SPD-Landeschef Sellering und der SPD-Parteivorstand hatten sich hingegen für eine Halbierung auf 800 Megawatt Leistung ausgesprochen.
Mit der Forderung stehen die Sozialdemokraten allerdings allein auf weiter Flur. Weder bei Dong noch bei Kraftwerks-Gegnern stößt die Haltung auf Gegenliebe. Auch ein 800-Megawatt-Kraftwerk würde den Greifswalder Bodden durch die Abwärme „massiv belasten“, sagt Ulrich Söffker, Landes-Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied der Volksinitiative „Kein Steinkohlekraftwerk in Lubmin“.
Dong Energy hatte den SPD-Vorschlag ebenfalls kategorisch abgelehnt. „Eine Halbierung auf 800 Megawatt wird es nicht geben“, so Dong-Projektleiter Peter Gedbjerg. Ein kleineres Kraftwerk sei unwirtschaftlich und würde nicht zur Konzern-Strategie passen. Dong hofft nun auf ein Umdenken bei Sellering. Gedbjerg: „Zwischen Ministerpräsident Harald Ringstorff und Dong Energy bestand immer ein gutes Verhältnis, das wir auch mit seinem Nachfolger gerne fortsetzen.“ Dies ist für den Lubminer Bürgermeister Klaus Kühnemann (parteilos) jedoch undenkbar. „Wenn Sellering als Ministerpräsident für ein großes Steinkohlekraftwerk eintritt, würde ihm die komplette SPD-Basis verloren gehen.“ Kühnemann favorisiert die Errichtung eines Gaskraftwerks. Von dem Ringstorff-Nachfolger erwartet er ein Ende der „Betonköpfigkeit“ und stattdessen Kompromissbereitschaft.
„Es ist eine spannende Frage, wie sich Sellering als neuer Regierungschef verhalten wird“, betont Söffker. Man müsse abwarten, ob sich der neue Ministerpräsident der Koalitionsdisziplin verantwortlich fühlt, oder ob er weiterhin seine eigene Position vertritt. Der Koalitionspartner CDU unterstützt die Dong-Pläne für einen 1600-Megawatt-Bau.
Sellering kritisierte unterdessen die deutsche Klimaschutzpolitik in einem Interview mit dem Radiosender NDR Info. Darin bedauerte der SPD-Landeschef gestern: „Im Moment ist es möglicherweise rechtlich möglich, dieses 1600-Megawatt-Kraftwerk zu bauen.“ Zuvor hatte er die Position der SPD nach der Halbierung der Leistung bestärkt. Man müsse jedoch abwarten, was das laufende Genehmigungsverfahren bringe.
Kritik an dem Verfahren äußert Jelinski, der in Thiessow auf Rügen eine Gaststätte führt. „Wir müssen 21 Aktenordner mit Tausenden Seiten sichten – und das in der Hauptsaison.“ Bis zum 15.
September läuft die Frist für die Einwände. Derzeit sammelt die Bürgerinitiative bei Urlaubern Unterschriften gegen den Meiler. 100 000 sollen bis zum Oktober zusammenkommen.
AXEL MEYER